Abenteuer Transsylvanien
Eine winterliche Motorradreise durch die Karparten von Rumänien
Seit Stunden spüre ich das Rumpeln am Hinterrad und höre das Klackern der selbstgebauten Schneeketten an meiner kleinen Kawasaki GPZ 305. Der Schnee wird immer dichter, die Freunde fahren voraus und die Räumfahrzeuge schaffen schon lange nicht mehr die Strassen im bayrischen Wald vom Schnee zu befreien. Es ist stockdunkel und die Temperatur steht auf minus 4,7 Grad. Was mache ich eigentlich hier, wir haben Winter und ich sitze auf dem Motorrad?Man muss schon eine fixe Idee haben und ein bisschen verrückt sein, um sich so etwas auszudenken. Angefangen hat es im Sommer 2006 auf dem Motorradreisetreffen in Gieboldehausen. Ein gesponserter Förderpreis wurde ins Leben gerufen. Und genau mit diesem Förderpreis konnte ich meine Freunde Elmar, Rainer und Guido überreden, mit mir ein einmaliges Wintermärchen zu erleben.Während das Schneetreiben immer dichter wird, muss ich mich darauf konzentrieren nicht die Balance und den Grip der Reifen zu verlieren. Trotzdem schweifen meine Gedanken an den Anfang der Reise.
Pünktlich um 6 Uhr erreicht der Autoreiszug aus dem Ruhrgebiet den österreichischen Bahnhof Salzburg und wir satteln die kleinen Wintermaschinen. Elmar fährt eine XT 660, Rainer die Honda SLR, Guido hat sich eine 26 Jahre alte CB400N mit wenig Kilometer zugelegt und ich fahre meine treue GPZ 305 mit 34 PS aus dem Jahr 1988. Natürlich haben wir die Maschinen im Vorfeld für diese Reise präpariert. Auf die Straßenmaschinen zogen wir die TKC 80 Reifen auf, es wurden Lenkerstulpen, Beinschilder und Schneeketten gebaut, die Maschinen bekamen entweder heizbare Griffe oder Handschuhe und nicht zu vergessen die heizbaren Socken aus dem Taucherbedarf. An einer der vielen Steigungen zwischen Wenigzell und Hartberg wird der Klang der GPZ immer lauter und proportional lässt die Leistung nach. Ein Riss am Interferenzrohr, dem Verbindungsrohr der zwei Auspuffrohre, entpuppt sich als Übeltäter. Und diese Druckverhältnisse mag die Kawasaki gar nicht. Genau an der Einfahrt zu einem kleinen Bauernhof kommen wir zum Stehen. Guido besorgt beim Bauern dicken Draht und ich bereite das Kaltmetall zum Abdichten vor. Die Rohre werden mit dem Draht fixiert und nach dem Aushärten des Kaltmetalls verschwinden wir eine Stunde später wieder in kleinen den Straßen der Bergwelt Österreichs. Gegen Abend erreichen wir, nach einer Tagesetappe von 400 KM, die Stadt Szombathely, kurz hinter der ungarischen Grenze. Die morgendliche Fahrt wird lediglich durch vereinzelte Lastwagen und Pferdefuhrwerke begleitet. Durch extrem kleine Strassen fahren wir über Chisineu-Cris, Ineu, Bontesti Richtung Stei. Die Straßen bestätigen unsere Rumänienbild. Große Schlaglöcher, träumende Dorf-Schweine auf der Straße, suizidgefährdete Hühner und riesige Hunde, die nur darauf warten kleine ängstliche Motorradfahrer zu jagen, um anschließend siegessicher vor ihren Hundekollegen großkotzig grinsend auftreten zu können.
Bei Stei nimmt uns bei der Quartiersuche ein Fahrradfahrer in seine Obhut und bringt uns in einer wilden Fahrt über Fußgängerzonen und gesperrte Straßen zu einem Hostel. Ein typischer Ostblockbunker, der es aber buchstäblich in sich hat.
Im Untergeschoß eine Pizzeria und ein riesiges Treppenhaus. In der ersten Etage jede Menge kleiner Räume jeweils ca. 16 qm groß, die die unterschiedlichsten Geschäfte beinhalten. Damenunterwäsche, Schuh- und Lebensmittelgeschäfte, Elektronikläden, sowie Damen vom leichten Gewerbe, alles dabei.Bei der Nachfrage, wo wir denn Parken können, wird uns ein Platz zugewiesen. Hotelflur links herum! Verdutzt sehen wir uns an und haben anschließend großen Spaß daran, die Treppe zur Eingangshalle mit den Motorrädern zu erklimmen. Mitten im Gebäude verstummen die Motoren und die Maschinen können sicher parken. Nach einem deftigen Spiegeleierfrühstück in der alten Ostblockspeisesaal-Atmosphäre satteln wir die Moppeds, da wir die Eishöhle Pestera Scarisoara erreichen wollen. Unterwegs bemerkt Elmar, dass er Motoröl auf seinem Hosenbein hat. Nach einigem Suchen stellen wir fest, das der im Rahmen befindliche Öltank auf Höhe des oberen Knotenbleches ein Leck hat. Das Öl läuft in das verschweißte Knotenblech und sucht sich den Weg über die drei Bohrungen direkt aus dem Knotenblech heraus. Kurzum entscheiden wir die drei Löcher des Kontenbleches mit Kaltmetall abzudichten und so den Tank zwangsläufig zu erweitern. Bei Scarisoara biegt links ein Schotterweg ab. Dieser Weg wird immer heftiger und die Schlaglöcher strapazieren die Wirbelsäule. Die Steigungen, der Schotter und die Eispassagen haben es in sich und machen riesigen Spaß. In der Eishöhle Scarisoara von herrscht ein Klima, wie in einem Kühlschrank und das ganze Jahr über beherbergt sie einen Eisgletscher. Als wir dort ankommen, ist die Höhle verschlossen! Ehe wir die Situation realisieren können, taucht aus dem Nichts ein Förster aus dem Wald auf und schließt uns das Tor die Höhle auf. Die Stiegen hinab zur Höhle sind vereist und lebensgefährlich glatt. Das bizarre Spiel der Eisskulpturen in der Höhle hält sich in Grenzen, aber was sich richtig lohnt, ist der Weg dorthin.
Über Buru, Sebes, Sibiu, Fagaras wollen wir heute in Richtung Brasov nach Zarnesty fahren. Von dort aus nach Bran zur Burg von Dracula. Unterwegs wird es immer kälter, das Thermometer steht mittlerweile bei -6 Grad! Bei Lungesti fahren wir auf einer extrem kleinen Nebenstraßen. Parallel zu einem Fluss animieren die Kurven zum Gasgeben, plötzlich stelle ich fest dass mein Vorderrad in der Kurve geradeaus fährt. Mit Entsetzen bemerke ich, dass die vom Fluss feuchte Straße, komplett mit einer Eisschicht überzogen ist! Glücklicherweise ist es nur ein Teilstück und unbeschadet, aber vorsichtiger fahren wir weiter. Hinter der nächsten Biegung winkt uns überglücklich ein Mann heran. Er steht neben einem liegen gebliebenen Renault Espace mit französischem Nummernschild. Es wird eine Unterhaltung aus Deutsch, Französisch und weiteren Sprachbrocken. Er sei ein geschäftsreisender Türke aus Frankreich, der sich nun auf der Rückfahrt von der Türkei befindet und kurz einen geschäftlichen Abstecher durch Rumänien macht. Leider hat er keinen Sprit mehr und steht seit ca. 3 Stunden in diesem Niemandsland. Wo ist denn die nächste Tankstelle oder der nächste Geldautomat? Unsere Antwort lässt ihm das Grauen im Gesicht aufsteigen, denn 60 KM zurücklaufen will er nicht. Leider hat er auch kein rumänisches Geld und mit seinem Handy, seiner Kreditkarte und seinem türkischem Geldschein, den er ständig vor uns fuchtelt, kann er hier in der Pampa nicht viel anfangen. Mit einem plötzlichen Grinsen im Gesicht und möchte er wissen, wieviel Lei man für 200 Euro bekommen kann. Ich nenne ihm die Summe und schon zieht er seinen dicken, schweren, goldenen Siegelring vom Finger ab und drückt mir das Ding unerwartet in die Hand. 200 Euro kostet dieser Ring in der Türkei, er hat sie schließlich massenhaft zuhause und wir sind ja seine Freunde, für 100 Euro gehört der Ring mir! Nach einiger Zeit habe ich plötzlich 2 Ringe bei mir auf der Sitzbank liegen. Das ganze für50 Euro. Ich werde stutzig!Meinen fünfzig Euroschein halten wir beide an den Enden fest. Wir halten eigentlich nicht fest, wir ziehen daran! Die Szene ist filmreif. Nun ja, ich bereite der Sache ein Ende, ziehe einmal so kräftig an dem Geldschein, dass er kurz vor dem Zerreißen ist.
Hinter Fagaras biegen wir auf die 73A, einer kleinen Straße Richtung der großen Berge. Schnee und Eis werden zu unseren ständigen Begleitern. Die Serpentinen schrauben sich immer höher hinauf, aber die einsetzende Dunkelheit und Kälte macht uns zu schaffen. Durchgefroren erreichen wir unsere Pension Hora con Brasil in Zarnesti. Diese kleine Familienpension beschert uns traumhafte Zimmer, einen netten Familienanschluss und das Beste, ein leckeres Essen für sehr kleines Geld. Wir wollen eine Rundreise zum Lac Balea starten, dort soll in jedem Winter eine Eiskirche entstehen. Über den Pasul Bran folgen wir der Straße Richtung Curtea. Immer wieder kommen uns Pferdefuhrwerke oder altersschwache LKWs mit Holztransporten entgegen. Sie quälen sich die Bergstraße hinauf und hüllen uns in einer dicken Abgaswolke ein. Wir halten zwei Fußgänger an, wir sind zwar auf dem richtigen Weg, aber die Strasse hinter Curtea ist gesperrt. Die Eiskirche kann man also nur von der anderen Seite der Berge aus erreichen. Da es schon Nachmittag ist, machen wir uns auf den Rückweg ins 92 Kilometer entfernte Zarnesti. Plötzlich erschreckt mich ein lauter Knall, meine kleine 305er brüllt wie eine Bulltaco aus den 70ger Jahren. Der Auspuff hat sich in 2 Teile gesprengt und baumelt nun traurig nebenher. Einfach durchvibriert!! Nun ja das Motorrad hat 20 Jahre auf dem Buckel und die rumänischen Straßen gaben ihren Teil dazu. Also setze ich mich an den Straßenrand und repariere in altbewährter Weise. Blechbüchsen und Draht sind schnell gefunden, denn der Müll in Rumänien ist ein echtes Übel und leider überall am Straßenrand zu finden.
Natürlich müssen wir auch die Burg von Dracula bei Bran besuchen. Von weitem kann man diese Idyllische kleine Burg, die auf einen Felsmassiv thront, sehen. Irgendwann hat das alte Regime diese Burg zur Gruselanlaufstelle erklärt, aber vom Gruseln ist keine Spur. Diese Burg war bis zum Weltkrieg im Besitz des königlichen Herrschaftshaus und wurde von den weiblichen Familienangehörigen zum liebevoll eingerichteten Sommersitz genutzt. Ob jemals das legendäre Draculavorbild Vlad Tepes dort war, bleibt ein Geheimnis. Uns zieht es nun in den Nordosten zur Bilcaz Schlucht. Über Brasov folgen wir der 12 in Richtung Gheorgheni, danach über den Pasul Bilcaz am Lac Rosu vorbei. Diese Landschaft erinnert mit seinen Nadelwäldern an Kanada oder Skandinavien. Die Straße führt bis auf den Grund der Schlucht, deren 100 Meter hohe Felswände an der engsten Stelle bis zu 6 Meter zusammenrücken. An der ungarisch-slowakischen Grenze erreichen wir die alte Festungsanlage von Komaron. Diese 18 Hektar große Festungsanlage stammt aus dem 17ten Jahrhundert und wurde selbst zu Zeiten des kalten Krieges noch militärisch genutzt. Heute beheimatet sie ein interessantes Militärmuseum und wir sind überrascht von den Ausmaßen der Anlage. Es wird wieder kälter und nach dem Regen in Györ erreicht uns wieder der Winter in Österreich.
Über Passau fahren wir zum Elefantentreffen nach Thumansbang Solla. Es hat kurz vor dem Treffen geschneit und 3500 Verrückte haben den Weg hierhin gefunden. In dem Hexenkessel von Loh, einem Stockcar-Gelände, entsteht eine Zeltstadt besonderer Ausmaße. Natürlich ist es auch ein Schaulaufen und die kuriosesten Fahrzeuge und Typen laufen hier auf. Indianerzelte, NSU Kettenfahrzeuge, Gespannumbauten, Badewannen mit Wärmetauscher in der Feuerstelle, Schottenröcke und geschundene Mofas, alles ist hier erlaubt. Im Laufe des Samstages ziehen sich die Wolken zusammen und die Sonne verschwindet hinter den Schneewolken. Der Himmel wird immer dunkler und während wir uns auf dem Rückweg zur Pension machen, bricht ein Schneechaos über uns herein. Die Schneefahrzeuge schaffen schon lange nicht mehr die Straßen zu räumen und wir kommen nur noch mit den selbstgebauten Schneeketten voran. Hier schließt sich der Kreis, mit den offenen Fragen:
Habe ich das Richtige gemacht?
Ist eine Winterreise nach Rumänien sinnvoll und kann man Motorradfahren mit Schnee und Eis verbinden??
Diese Fragen kann ich mit einem eindeutigen Ja beantworten. Im Winter zu fahren, ist ein einmaliges Erlebnis.
Kategorien: Rumänien