up to Ladakh

im Sattel der klassischen Enfield quer durchs Himalayagebirge

Die Haare liegen gut, Start Düsseldorf. Vier Stunden später Zwischenlandung in Istanbul, alle sind fit.
Elf stündiger Weiterflug, Landung um 4 Uhr morgens in Delhi bei 35 Grad Außentemperatur und gefühlten 95 Prozent Luftfeuchtigkeit. Erste Schwächeanfälle, verschlafene Männerfrisuren, aber gleich geht es weiter zum Anschlussflug nach Kulu. Der indische Angestellte in seiner schönen Uniform druckst herum, murmelt etwas von Verspätung. Dann nennt er das böse Wort “cancelt”.  Fünf müde Männer sollen einen ganzen Tag warten, nicht gut! Volker kennt die indische Mentalität zur Genüge und nach einigem Palaver handelt er stolz eine Taxifahrt heraus. Hört sich gut an, aber 600 Kilometer im indischen Verkehr und defekten Stoßdämpfern?

Manali liegt auf fast 2000 Meter Höhe und es riecht angenehm. Sess begrüßt uns überschwänglich und ist froh, dass wir endlich sein Gästehaus erreichen. Herrlich blubbern die 500er Bullet- Motoren und zu unserer Überraschung hat unser Kontaktmann Sess für uns Enfields mit vertrauter Linksschaltung und Seitengepäcksystem organisiert.  Volker ist nervös, wie aus Zauberhand setzt ein starker Regen ein und Regen bedeutet in den Bergen nichts Gutes. Die Motoren starten und unsere fünfköpfige Gang bollert durch Manali zur nächsten Tankstelle.  Der Rothang ist einer der gefürchtetsten Passe im Himalaya-Gebirge. Er liegt auf 4000 Meter Höhe und bildet eine Wetterscheide. Hier muss jeder entlang, der  den Norden Indiens bereisen möchte. Trotz Sonnenschein rauschen kleine Bäche über die unbefestigte Straße und verwandeln den Untergrund in eine extrem matschige Strecke. Wir fahren zwischen den Versorgungstrucks und steckengebliebenen japanischen Kleinwagen Slalom.

Rechts der Berg, von dem immer wieder Gestein abbricht, und links der schroff abfallende Hang, der Hunderte von Meter tief ist. Die Enfields drohen immer wieder stecken zu bleiben.  Mehrfach hebeln mich die im Matsch versteckten Felsen aus und lassen meine Maschine Richtung Abgrund abdriften. Fußrasten und Sturzbügel bleiben  an den Gesteinsbrocken hängen und verbiegen sich durch die Wucht der Kollision. Fast unwirklich kommt es mir vor, als ich einen Inder mit makelloser weißer Hose und dünnen Slipper auf der kleinen koreanischen Maschine entdecke. Er gleitet über den Slick, ohne auch nur einen Spritzer Schlamm abzubekommen.  Wir quälen uns weiter an den rußenden Überlandbussen vorbei, nur noch eine gefährliche Spitzkehre und dann fallen wir uns in die Arme, der Rothang ist bezwungen.

Der Changar Fluss schneidet sich durch die Sechstausender und wir sind sprachlos über diese Bergkulisse. Akribisch schreibt der Polizist alle Daten aus dem Reisepass und den Motorradpapieren in ein altes Buch. Wir sind an der Grenze zu einem neuen Distrikt, dem Keylong Bezirk. Der nächste Pass führt uns auf den 4890 Meter hohen Bara-Lacha La. Entgegenkommende LKWs hüllen mich in eine undurchsichtige Dieselruss- und Staubwolke,  Überholen wird zum Glücksspiel. Reißende Gletscherflüsse begleiten uns – Hochplateaus, dessen Abbruchkanten durch Erosion eine eigene Aura bekommen haben, ziehen mich in ihren Bann. Im Licht- und Farbenspiel der kargen 7000er komme ich mir so klein und doch so beschützt vor. Jochens plötzliches Hupen reißt mich aus dem Griff des Bergpanoramas. Der Hinterreifen ist platt, das Ventil ist abgerissen und er braucht das Werkzeug. Es scheint, als hätten wir förmlich auf diese Situation gewartet, ehe Jochen schauen kann wird das Motorrad über den Hauptständer auf die Seite gekippt und Volker hat innerhalb von Sekunden das Hinterrad ausgebaut. Der Polizeiposten stolpert gebückt aus dem alten Militärzelt, er lässt uns sämtliche Daten in sein altes Buch kritzeln, ehe er den mit Fähnchen behangenen Strick, der eine Distrikt-Schranke symbolisiert, auf die Straße herablässt. Wir fahren über diesen Bindfaden in die Stadt Sarchu, die Grenze zwischen den Bundesstaaten Himachal Pradesh und Jammu & Kashmir (Ladakh). Die Bezeichnung Stadt ist mehr als übertrieben, Sarchu ist eher ein Zeltdörfchen. Im Winter verschwindet Sarchu fast von der Bildfläche, dann wird alles abgebaut und auf LKWs verladen, zurück bleibt nur der Müll.

Der Changlang La mit 5350 Höhenmetern, begrüßt uns bei strahlendem Sonnenschein. Kurz hinter den einundzwanzig Haarnadelkurven, den Gatta Loops, eiert Jochens Bullet schon wieder. Der Hinterreifen ist erneut ohne Luft, diesmal identifizieren wir  als Ursache ein kleines Steinchen zwischen Mantel und Schlauch. Der Trail wird immer anstrengender, die Arme schmerzen von unzähligen Wasserdurchfahrten und buckeligen Wellblechpisten. Den Enfields macht diese Tortur gar nichts aus, trotz ihrer geringen PS-Zahl nehmen sie scheinbar mühelos jede Steigung in Angriff. Die Straße nach Pang gleicht einer Hardcore Endurostrecke. Durch Erosion entstand über Jahrtausende eine atemberaubende Hochgebirgslandschaft. Das Himalaya-Gebirge entstand durch tektonische Erdplattenerhebungen, so sind deren Verwerfungen und einzelne Gesteinsschichten unverkennbar zu erkennen. Pang ist ebenfalls eine Saison-Zeltstadt und das Dorf der Frauen!

Nur Frauen bewirtschaften Pang und geben den ankommenden Reisenden eine Unterkunft und versorgen sie mit der beliebten Magie. Das ist kein Name sondern Suppen aus Maggi-Tüten. Müde schlürfen die Reisenden ihren Tee und teilen sich mit uns, die vor eineinhalb Jahren abgelaufene Erdbeermarmelade. In der Nacht hat es auf den umliegenden Gipfeln geschneit, es ist furchtbar kalt und auf der Sitzbank glitzert der Raureif in der Morgensonne. Die Enfields werden nach und nach zum Leben erweckt. Ruhig und kraftvoll bullern die Motoren im Standgas. Der Bulldozer räumt einen Erdrutsch auf dem Tanglang La, mit 5.328 Metern der zweithöchste befahrbare Pass der Welt, beiseite.  Jetzt geht es nur bergab, Serpentinen, Schotter, jubelnde Bauarbeiter.  Die Gedenkstätten der Mönche, Mauern aus Mani-Steinen mit ihren eingravierten, heiligen Texten, sowie zwei Meter große Gebetsmühlen erscheinen in den kleinen Dörfern. Der Einfluss der buddhistischen Stadt Leh zeichnet sich ab.

Bei Upshi treffen wir auf den Indus. Gewaltig ist der Fluss und begleitet uns weiter Richtung Leh. Das Golden Tor der Stadt trotzt dem hektischen Verkehr. Leh ist der Verwaltungssitz des Distrikts und ist mit 3500 Höhenmeter, eine der höchstgelegenen ständig bewohnten Städte der Erde. Ich genieße die Stimmung in der Stadt, hektisch und geschäftstüchtig, aber zugleich ruhige und gelassene geprägt durch den Buddhismus. Als wir ein Permit für die Weiterfahrt kaufen, stellt der Verkäufer fest, dass wir beim letzten Geldwechsel, ein paar falsche Blüten bekommen haben. Nicht ungewöhnlich für Indien, beruhigt er uns. Beim nächsten Tankstopp verschwinden die falschen Scheine ins dicke Geldbündel des Tankstellenbesitzers. Eine dunkle Wolke hängt über den Bergen in Richtung Norden. Das Ziel heißt Hundar, kurz vor der pakistanischen Grenze. Der Kardung-La lacht uns aus, er will uns Winterfahrer prüfen. Dieser Pass liegt auf 5606 Höhenmeter und ist der höchste befahrbare Pass der Erde. Die ganze Bergkuppe ist weiß eingepulvert, unsere Hinterräder schlingern bei der Abfahrt im Schneematsch. Aber die Sonne hat ein Einsehen und trocknet für uns die lange Abfahrt. Schlaglöcher katapultieren das Hinterrad hoch, eine Kuppe inmitten der Kurve lässt mich über beide Räder driften, es macht einfach Spaß. Der Himmel verliert allmählich sein Grau, das kleine Dorf neben dem Fluss Shyok bildet mit seinen frischen Feldern einen kräftigen, grünen Klecks im weitläufigen Flussbett. Wüstensand, gelbbrauner Schotter und schroffe Felsen prägen den Eingang der Hochgebirgswüste Nubra. Die kargen Berge verlieren sich im Horizont. Das Nubra Valley ist eine der höchsten Wüsten der Erde und liegt auf über 3500 Meter. In der Nähe von Diskit schaukeln wir auf Kamele durch die Wüste. Eine witzige Sache, genauso viel Spaß macht der Ritt auf Enfield durch die Sanddünen.

Zurück in Leh übergeben wir einige Tage später die Motorräder und besteigen das Flugzeug nach Delhi.
Kulturschock, 35 Grad, extreme Luftfeuchtigkeit, es ist laut und stickig…..aber abenteuerlich gut!

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